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Psychokardiologie

„So scheinen auch alle seelischen Vorgänge wie Zorn, Sanftmut, Furcht, Mitleid, Mut, ferner Freude, sowie Liebe und Hass in Verbindung mit dem Körper zu stehen.
Denn bei allen diesen ist der Körper irgendwie beteiligt.“
Aristoteles

Bereits im alten Griechenland waren den Menschen die Zusammenhänge von körperlichen Reaktionen auf seelische Vorgänge aufgefallen. Gefühle machen die subjektive Lebensqualität des Menschen aus und das Herz spielt dabei eine herausragende Rolle.

Die ernsthafte wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Thema und letztlich die Bestätigung des starken Einflusses von Emotionen auf die Herzgesundheit und andersherum der Veränderung unserer Psyche durch eine Herzerkrankung erfolgte erst in den letzten 20 Jahren. 

Die Psychokardiologie ist  ein Forschungsbereich, in dem die Zusammenhänge von psychischen Störungen und Herzerkrankungen und die gegenseitige Beeinflussung untersucht werden.
 
So hat man z.B. feststellen können, dass psychosoziale Faktoren genauso wie die "klassischen" Risikofaktoren (z.B. Rauchen, Bluthochdruck, Zuckererkrankung, Fettstoffwechselstörungen), das Auftreten von Verengungen der Herzkranzgefäße und Herzinfarkten erhöhen. Auch der Verlauf hinsichtlich der Lebensqualität und des Auftretens kardialer Ereignisse verschlechtert sich.

Zu den psychosozialen Risikofaktoren zählt man z.B. depressive Verstimmungen und  Erkrankungen, schwere Ängste und Angststörungen,  aber auch schon das Syndrom der "vitalen Erschöpfung", welches mit Müdigkeit und starker Antriebsstörung einhergeht, sowie immer wieder auftretende starke Ärgerreaktionen. Weiterhin gehören eine chronische Stressbelastung und Konflikte am Arbeitsplatz oder im privaten Bereich (Familie), eine geringe soziale und emotionale Unterstützung (z.B. durch Verlust des Lebenspartners), bestimmte Arbeits- und Lebensbedingungen (z.B. exzessive Überstunden, langjährige Schicht-/Nachtarbeit etc.) mit dazu (siehe auch die Abb.).


psychosoz. RF


Auf welche Weise diese Faktoren ihre schädigende Wirkung am Herzen und den Gefäßen entwickeln ist weiterhin im Fokus der Wissenschaft, aber man kann heute sowohl verhaltenswirksame als auch psychobiologische Mechanismen identifizieren.

So haben Menschen mit den oben genannten Problemen häufig ein ungünstiges Profil ihrer  Ernährung und körperlichen Bewegung und sie zeigen öfter ein selbstschädigendes Verhalten durch einen erhöhten Nikotin- und Alkoholkonsum (verhaltenswirksame Mechanismen).

Durch die psychischen Veränderungen und Spannungszustände ändern sich auch verschiedene Prozesse  auf biologischer Ebene im Körper. Das autonome (vegetative) Nervensystem gerät aus der Balance und das Immun- und Hormonsystem wird ungünstig beeinflusst und entfaltet darüber seine negative Wirkung auf Herz und Gefäße (psychobiologische/psychophysiologische Mechanismen).

Umgekehrt beeinflussen Herzerkrankungen auch stark die psychische Situation der betroffenen Menschen. Man weiß heute, dass ca. 20-50% aller Patienten nach einem Herzinfarkt depressiv werden und davon 15-20% sogar schwer. Im Rahmen der kardiologischen Routinebehandlung geht die Depressivität bei ca. der Hälfte der Menschen wieder zurück. Die andere Hälfte leidet ohne weitere Behandlung oft jahrelang weiter unter der Depressivität mit den heute bekannten ungünstigen Wirkungen auf das Herzkreislaufsystem. Auch Ängste  und Angststörungen bis zur posttraumatischen Belastungsstörung können Folge von Herzinfarkten sein.
Aber nicht nur Herzinfarkte, sondern auch andere kardiale Ereignisse wie beispielsweise Herzrhythmusstörungen, Einbau von automatischen Defibrillatoren/Herzschrittmachern, eine Herzschwäche, Herzoperationen/-transplantationen und Weiteres beeinflussen unser seelisches Befinden. 

Auch Menschen mit sogenannten "funktionellen Herzbeschwerden", also spürbare Symptome ohne nachweisbare organische Veränderung/Ursache, haben häufig eine stark reduzierte Lebensqualität.

Dass Menschen unter einem „gebrochenen Herzen“ leiden können, weiß der Volksmund schon lange. Seit den 90er Jahren wird das sogenannte „Broken Heart Syndrome“, auch „Stress-  kardiomyopathie“ oder "Tako-Tsubo-Kardiomyopathie" genannt, in der Kardiologie beschrieben. Die Patienten sind häufig  starkem psychischen Stress ausgesetzt (z.B. Verlust des Lebenspartners, interpersonelle Konflikte oder berufliche Zurücksetzungen) und bekommen darunter Beschwerden wie bei einem Herzinfarkt. Die Pumpfunktion des Herzens ist eingeschränkt und das EKG und Labor kann auch so verändert sein wie bei einem typischen Infarkt. In der Herzkatheteruntersuchung findet man aber keine Verengung oder gar einen Verschluss der Herzkranzgefäße. Die Ursachen der Erkrankung sind unbekannt, aber es werden Verkrampfungen der Herzkranzgefäße diskutiert, die durch Stresshormone auf dem Boden einer Fehlfunktion kleiner Gefäße hervorgerufen werden. Der Anteil der Stresskardiomyopathie an allen akuten Koronarsyndromen beträgt ca. 2%. Insbesondere Frauen sind davon betroffen und stechen mit einem Anteil von 7,6% an allen „weiblichen“ akuten Koronarsyndrome hervor. Wenn die akute Krankheitsphase gut überstanden wird, haben die Patienten eine gute Prognose und die Herzfunktion ist häufig später wieder vollkommen normal.

Diese Erkenntnisse machen deutlich, wie wichtig die Erfassung dieser Probleme und deren Behandlung in der kardiologischen und hausärztlichen Praxis heute ist. An der Umsetzung dieses Wissens  in der täglichen Routine hapert es aber noch, weil sich die Durchsetzung neuer Einsichten oft erst langsam entwickelt, die Ärzte in unserem Gesundheitssystem insgesamt nur wenig Zeit für den einzelnen Patienten  haben und  weil längere Gespräche nicht ausreichend honoriert werden.

Nicht jeder Patient benötigt gleich eine langdauernde Psychotherapie oder zusätzliche Medikamente, aber eine individuell geplante Behandlung zur Verbesserung der Lebensqualität und Reduzierung auch der psychosozialen Risikofaktoren sollte demnächst Standard sein. Hierzu zählen erklärende, strukturierende und motivierende Gespräche, Entspannungsverfahren, Nikotinentwöhnungskurse etc..
Hausärzte, Kardiologen, Psychotherapeuten und weitere Gruppen aus dem Gesundheits- wesen  müssen dann noch enger zusammenarbeiten.

Damit die wissenschaftlichen Kenntnisse in der Praxis besser umgesetzt werden können, ist eine Ergänzung der Weiterbildungsordnung für Kardiologen geplant. Hinzu kommen soll der "Erwerb von Kompetenzen in Diagnostik und Therapie psychosozialer Faktoren in der Kardiologie". Entsprechende, aber noch nicht vorgeschriebene, Weiterbildungsangebote gibt es heute schon.

Als Kardiologe und ärztlicher Psychotherapeut kann ich Ihnen die Behandlung praktisch fächerübergreifend im Rahmen einer integrativen Medizin aus einer Hand anbieten.

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